Nichts ist für immer , aber das ist sicher. Chemnitz auf dem Weg zu neuen Möglichkeiten
und die Frage: Wo wollen wir hin?

Von Benjamin Horner, Blogger.

In der vergangenen Woche lud das Chemnitzer Kulturhauptstadtbüro zu einer Info-Tagung, rund
um die Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt. Bis 2025 möchte das im Auftrag des
Bürgermeisteramtes agierende Team, Chemnitz gegen zahlreiche weitere Bewerberstädte aus
ganz Deutschland durchsetzen. Daher waren vergangene Woche lokale wie auch internationale
Interessenten dazu aufgerufen, sich gemeinsam mit professionellen Berater*innen sowohl aus
Kunst und Kultur, als auch Wirtschaft und Wissenschaft auseinanderzusetzen.

Bereits am Montag betonte Barbara Ludwig, Oberbürgermeisterin der Stadt Chemnitz, wie wichtig
es für sämmtliche Bewerber ist, zusammen zu arbeiten. Sie selbst würde sich wünschen, dass
“alle Städte Europas Kulturhauptstadt wären”. In diesem Sinne richteten sich die Angebote der
Tagung nicht allein an die kulturellen Institutionen der Stadt Chemnitz. Auch Vertreter aus
Dresden und Hannover sollten miteinander und voneinander lernen. Erfahrungen, die aus den
abgeschlossenen Vorzeigeprojekten “Ruhr:2010” und “Linz darf alles” gewonnen wurden, machen
aber besonders der Stadt Chemnitz Hoffnung. Oliver Scheytt, ehemaliger Geschäftsführer der
RUHR:2010 GmbH, hob in seiner Präsentation hervor, dass es nicht darum gehen muss
vorhandene Räume zwanghaft mit etwas gänzlich neuem zu besetzen. Viel interessanter ist es,
wie die Bewerber ihre historische und regionale Vielfalt aufarbeiten und für sich nutzen. Von
diesen “Lagerfeuern” hat Chemnitz nun wahrlich einige. Diese gemeinsam mit den Chemnitzern
aufzubereiten, darin sieht besonders das Netzwerk für Kultur- und Jugendarbeit e.V seine
Zuständigkeit. Zahlreiche weitere Anlaufstellen, allen voran das Kulturhauptstadt Büro auf dem
Rosenhof, stehen allen die sich beteiligen möchten auch weiterhin Rede und Antwort.

Was und wie die für sich so unterschiedlichen Stadtteile sich entwickeln können, war Gegenstand
der Bar Camps am zweiten Tag der Stadt – Kultur – Tagung. Zunder für die Diskussion brachte
eine Stadtführung über das ehemalige Arbeiterviertel Sonnenberg, sowie die ehemalige
Einkaufspassage Brühl. Mit ihrer ursprünglichen Funktion haben die beiden Quartiere heute nicht
mehr viel gemein. Auf dem Sonnenberg lassen sich die ersten Pioniere nieder und die
Brühl-Passage verlor, durch die zunehmende Verlagerung von Shopping-Möglichkeiten an die
Stadtränder, an Besuchern. Ähnliche Dynamiken finden sich überall in Deutschland, in Sachsen
und in Chemnitz.

Die Initiative KRACH ist ein Beispiel dafür, wie sich gezielt gegen die Abwärtsspirale deutscher
Innenstädte arbeiten lässt. Ebenfalls vorgestellt während der Bar – Camps präsentierte sich das
junge Unternehmen als schlagfertig und mit zahlreichen Ideen in der Hinterhand. Unterstützt durch
das Stadtplanungsamt Chemnitz setzt das junge Unternehmen dort an wo andere Probleme
übersehen. Leerstand und Verfall werden durch den Gedanken “Kultur als Motor der
Stadtentwicklung” kompensiert, welcher durchaus als zentrales Motto der European Capital of
Culture gelten kann. Um Chemnitz für kreative Köpfe attraktiv zu machen, nutzt KRACH die
regionalen Gegebenheiten und schließt sich mit Akteuren aus der Immobilienwirtschaft zusammen.
Jene Projekte, die sich für die ehemalige Karl – Marx – Stadt eine europäische Zukunft wünschen
und bereit sind dafür Ungewissheit und Spannung auszuhalten, für die bietet die Kür zur
europäischen Kulturhauptstadt den entscheidenden Funken. Auf der Tagung wurde kein Hehl
daraus gemacht, dass das “Projekt Stat(dt)kultur Chemnitz:2025” nicht sämtliche Probleme lösen
kann. Das wäre verblendete Augenwischerei und stünde dem Ziel der Sitzung entgegen. Christoph
Thoma, Kurator der Tagung, sieht daher in der Kulturhauptstadt mehr “einen Katalysator, einen
Durchlauferhitzer”, der bestehende Vorhaben vorantreibt und neue Ideen entzündet. Aus den
Reihen der Initiatoren kommen bereits einzelne Projekte hervor, doch zu den zentralen
Erkenntnissen der Tagung gehört eben, dass der gesamte Prozess nicht isoliert von der
Öffentlichkeit stattfinden darf. Nun muss auch sie sich fragen: “ Wo wollen wir hin?”.

Der Autor: Benjamin Horner (22), Blogger

Benjamin stammt aus Obertshausen bei Frankfurt a. M. und studiert seit Oktober 2014 Soziologie an der TU Chemnitz. Er interessiert sich für den Zusammenhang von Individuen und ihrer unmittelbaren Umgebung. Städte und Stadtentwicklungsprojekte wie die Kulturhauptstadt Europas spielen dabei eine tragende Rolle.

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